John Corey Whaley, Hanser 2014
Quelle: Hanser Literaturverlage |
Cullen und Gabriel Witter sind Brüder. Sie
leben in Lily, einer typisch amerikanischen Kleinstadt in Arkansas, in der so
wenig passiert, dass die angebliche Sichtung eines als ausgestorben geltenden
Lazarus-Spechtes die Einwohner in helle Aufregung versetzt. Die beiden Teenager
und ihr bester Freund Lucas zeigen sich davon wenig beeindruckt. Gerade haben
die Sommerferien begonnen, es sind die letzten Monate, bevor für Cullen, der
gerade die High School beendet hat, ein neuer Lebensabschnitt beginnen soll.
Doch noch bevor er sich ernsthafte Gedanken über seine Zukunft machen kann,
verändert sich Cullens Leben schlagartig: Sein jüngerer Bruder Gabriel
verschwindet spurlos.
Der Leser begleitet die Familie Witter durch
Wochen der Trauer und der Angst, in denen die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit
Gabriel immer mehr schwindet. Cullen ist hin- und hergerissen zwischen diesem
Mikrokosmos, in dem sich auch für ihn alles um seinen Bruder dreht, und seinem
Teenagerleben, in dem er mit Mädchen ausgeht, mit Lucas Momente der
Freundschaft und der Erinnerung an schöne Zeiten erlebt und in dem er sich für
ein College entscheiden soll. Seine Heimatstadt befindet sich währenddessen im
Specht-Wahn. Der Hype um das als ausgestorben geltende Tier steht der Suche
nach Gabriel, bei der die Witters auf sich allein gestellt scheinen, grotesk
gegenüber.
Parallel dazu wird eine Geschichte erzählt,
die scheinbar in keinem Zusammenhang mit der der Witters in Lily, Arkansas
steht: Ein junger Gläubiger, der 17-jährige Benton Sage, reist nach Afrika, um
dort die Botschaft des Herrn zu verbreiten. Doch es läuft nicht nach seinen
Vorstellungen und er bricht die Missionsreise ab und beginnt zu studieren. Am
College beschäftigt er sich intensiv mit dem Buch Henoch, einer apokryphen
Schrift des Alten Testaments, die er in Äthiopien kennen gelernt hat. Nach
seinem Selbstmord führt sein Mitbewohner, Cabot Searcy, Bentons Recherchen fort
und wird mit der Zeit völlig besessen von dem Inhalt des Buches.
Mit Hier könnte das Ende der Welt sein liefert John Corey Whaley eine berührende Geschichte über einen
17-Jährigen, der versucht, sich nach dem Verschwinden seines geliebten Bruders
in seinem Leben zurechtzufinden. Einem Leben, in dem der Vater eine Hellseherin
ins Haus bringt und auf ihren Hinweis hin nach der Leiche seines Sohnes gräbt.
Einem Leben, in dem die Mutter sich im Zimmer ihres Jüngsten einschließt und
dessen Musik hört und den Kontakt zu ihrer Schwester abbricht, als diese sagt,
sie stelle sich Gabriel im Himmel vor. Einem Leben, in dem Cullen von seiner
Freundschaft mit Lucas gestützt wird, sich verliebt und abseits der Sorge um
seinen Bruder durchaus schöne Teenager-Momente erlebt.
Doch Whaleys erstes Buch ist mehr als ein
reiner Jugendroman. Der Autor versteht es, auf unterschiedlichen zeitlichen
Ebenen eine Geschichte zu erzählen, die nicht vorhersehbar ist und bis zum
letzten Satz überrascht und die man trotz des bedrückenden Inhalts als positiv
empfindet.
Dieses Buch will ich nächstes Jahr unbedingt mit Schülern lesen!
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